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Vom Freelancer in die Depression zur Festanstellung

6.7.2022

Wie glücklich ich bei meinem neuen Arbeitgeber bin.

Kennt ihr diese Stigmatisierung durch psychische Krankheiten? Ich auch nicht. Nicht mehr. Ich habe mich davon frei gemacht.

Hi, ich bin Pepo. Ich hatte schon mal depressive Episoden. Das war scheiße. Ich war 12 Jahre Freelancer und danach ein bisschen viel krank. Jetzt bin ich glücklich mit einer halben Festanstellung. Davon möchte ich euch erzählen

Kaffeemachine bei Wahnsinn

Ich programmiere seitdem ich Kind bin, hat sich so ergeben. Das Internet kam biografisch günstig, aber Arbeitnehmer-Verhältnisse fande ich schon immer komisch. Ich mag unbefristete Festanstellungen nicht. Meine erste Beschäftigung hatte mir schon einen Kloß in den Hals gesetzt. Zu unbeweglich, zu unflexibel. Irgendwie ist man mit jemandem verheiratet, den man gar nicht von ganzem Herzen liebt und einfach abhauen, geht wegen Kündigungsfrist ja auch nicht. So bin ich halt. Lieb' mich oder hass' mich, aber lass uns das nicht in Verträgen fixieren. Ich weiß, dass ich wahnsinnig viel in sehr kurzer Zeit auf die Straße bringen kann, wenn man mich lässt. Ich kann aber auch der nervigste Mitarbeiter der Welt sein. That’s me. Sorry, not sorry.

So wurde ich Freelancer, hab von BILD.de bis Hugo Boss für alles und jeden gearbeitet und mein Lebenslauf ist mit der Zeit ein ausgewachsenes Reputationsdings geworden. Auf dem Papier scheine ich echt gut zu sein.

Das alles ist aber egal, wenn dein Kopf einfach nicht mehr mitmacht. Der macht auch nicht von heute auf morgen nicht mehr mit. Es ist ein schleichender Prozess und irgendwann kann man seine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Aber das ist auch nicht so schlimm. Als Freelancer kann man mit einem guten Monat, drei nicht so gute Monate ganz gut überpinseln. Und der nächste Monat könnte ja wieder gut werden. Bis kein Monat mehr kommt, der wieder gut läuft. Dann stehst du da, mit beiden Beinen im Chaos und kannst außer Atmen nicht mehr viel. Für mich bedeutete das Krankenhaus, Tagesklinik, Hartz IV, Privatinsolvenz. Das alles in einem depressiven Zustand, bei dem ich nicht viel mehr konnte als Kopfnicken und, wie schon beschrieben, atmen. Ein komplettes Entwickler-Leben im Eimer. Zurück auf Los, ohne 4.000 Mark oder Euro, sondern mit gar nichts in der Tasche.

Ich sitze im Sommer mit einem Freund im Park, der beruflich das Gleiche macht wie ich. “Ich kann das nicht mehr”, “ich kann Computer nicht mehr sehen”, “ich will das nicht mehr”. Er reagierte einfach fantastisch: “Klar”, “nee, verstehe”, “ja, wenn die Zeit reif ist, suchste dir halt was anderes”. Die Zeit wurde niemals reif. Eher faul. Meine Kreativität war am Boden, mein Kopf brachte einfach nichts mehr auf die Straße. Ich habe zu der Zeit Youtube-Höhlen betreten, ihr wollt es euch nicht vorstellen.

Irgendwann war die Zeit dann doch wieder reif. Ich wollte wieder arbeiten. Vielleicht nicht an vorderster Front, lieber etwas “Gemütlicheres”. Ich konnte mir zumindest wieder vorstellen, bei der Stadtverwaltung zu arbeiten und für Geld meinen Stiefel runter zu programmieren. Nach zwei Wochen darüber nachdenken, entschied ich mich aber, mich nicht mich bei der Stadtverwaltung zu bewerben, die 2022 noch jemanden gesucht haben, der mit jQuery Interfaces zusammenklebt. Für eine große deutsche Bank habe ich bereits 5 Jahre zuvor ein Projekt mit jQuery ausgebaut. Wenn die Latte also so niedrig liegen kann, warum nicht diese erst einmal überspringen? Ich besprach mit Leuten, ob ein Leben in der Stadtverwaltung eins für mich sein kann und sehr schnell wurde klar, dass egal wie langsam mein Kopf gerade noch agiert, so langsam wie man bei der Stadtverwaltung arbeiten kann, wird er nie werden.

Ich schrieb also lieber diesen Blogpost, um mich auf dem “Arbeitsmarkt” zu zeigen. Ich wollte ganz klar kommunizieren, warum ich das zwar vielleicht alles kann, aber in letzter Zeit etwas derangiert durchs Leben gegangen bin. Ich wollte gucken, ob es vielleicht passende Pantoffeln gibt. Ich wollte einfach wieder ins Leben einsteigen und für mein Geld arbeiten. Hartz IV ist nämlich richtig große Scheiße und ohne Freunde und Unterstützung hätte ich das nicht geschafft, mit dem Wiederaufstehen. Dafür kann man sich auch gar nicht richtig bedanken. Fühlt euch heute einfach etwas besser als gestern.

Ich twittere den Blogpost in der Hoffnung, dass sich vielleicht jemand melden würde. Keine zwei Minuten später hatte ich eine Einladung zum Bewerbungsgespräch. Nicht besonders strategisch überlegt, poste ich den Blogpost auch bei LinkedIn.

50.000 Views auf LinkedIn, 15.000 bei Twitter, 170 E-Mails, 30+ Video Calls, 3 SMS, 1 Instagram-Nachricht

Darauf kamen unfassbar viele Nachrichten, Anfragen, mein Skill-Set schien beliebt zu sein. Ich hatte ca. 30 Vorstellungsgespräche in einer Woche und die allermeisten davon waren sehr bereichernd. Es gab drei Favoriten und letztlich hab ich mich für die “Wahnsinn Design GmbH” aus Köln entschieden, die mich quasi perfekt abholte. Über allem stand in der Bewerbungsphase was ich eigentlich benötige um gut arbeiten zu können. Viele erzählten in den Vorstellungsrunden, was sie so unglaublich stark machen würde, aber die wenigsten haben mich gefragt, was ich nach meiner Zeit “raus aus dem Job”, denn wohl brauchen würde. Das finde ich irre und ein Hinweis an alle Recruiter, vielleicht den Kandidaten zu fragen, was er braucht, nicht wie es beim Arbeitgeber ist.

Folgende Punkte waren mir wichtig:

  • Gute technische Ausstattung
  • Corporate-Culture
  • Transparente Unternehmensführung
  • Kontinuierliche Verbesserungsprozesse
  • Guter Kaffee

Ich habe einfach keine Lust, die tollsten Websites des Universums auf einem übrig gebliebenen Dingz-Rechner zu programmieren. Es macht einfach mehr Spaß, wenn das Gerät, mit dem ich arbeite, state-of-the-art ist. Hat viel mehr was mit Wertschätzung meiner Leistung zu tun als mit “mimimi”. Ich arbeite auf einem nagelneuen M1 MacBook Pro und es ist wirklich der schönste Rechner, den ich je hatte. Von Klang bis Anfassen ist alles toll an diesem Gerät. Zuerst wollte ich einen iMac haben. Weil ich die Idee schön fand, einen Ort in meiner Wohnung zu haben, der dediziert zum Arbeiten gedacht ist. Die Idee war aber blöd. Ich konnte sehr unproblematisch wechseln. In letzter Minute hielt ich einen meiner Vorgesetzten davon ab, mir ein neues Apple-Display für 1700€ zu kaufen. Es ist schön zu wissen, dass ich könnte, wenn ich wollte. Ich will aber gerade kein neues Apple-Display haben.

Weil ich in so vielen Firmen und Unternehmen arbeiten durfte, habe ich einen sechsten Sinn für “Unternehmenskultur” entwickelt. Dabei geht es mir gar nicht darum, wie die Unternehmenskultur sein soll, sondern dass sich jemand darüber Gedanken gemacht hat. Unternehmenskultur bei Wahnsinn heißt, dass niemand zu irgendetwas gezwungen wird. Wer zum Mitarbeiter:innen-Kochen kommen kann, ist herzlich eingeladen. Wer keine Lust hat, muss keinen Grund erfinden oder “krank” sein, er oder sie kann einfach “keinen Bock” haben. Außerdem arbeiten bei Wahnsinn alle nur 30 Stunden die Woche, bei 30 Tagen Urlaub.

Transparente Unternehmensführung ist mir wichtig, weil ich einfach wissen will, in was für einer Bude ich gerade arbeite, was für Schwierigkeiten wir haben und welche wir in einem halben Jahr haben könnten. Das gibt es alles bei Wahnsinn für mich. Ich weiß, wie voll das Konto ist und ob wir noch jemanden einstellen wollen – Spoiler: wollen wir!

Die kontinuierlichen Verbesserungsprozesse finde ich wichtig, weil nie alles perfekt läuft. Es ist alles im Fluß und manchmal fließt es halt scheiße. Das ist nicht schlimm. Man muss es nur erkennen, ansprechen und entgegenwirken können. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess heißt halt übersetzt auch nichts anderes als “offene Fehlerkultur”.

Guter Kaffee ist mir ehrlich gesagt gar nicht sooo wichtig, aber wenn sich jemand Gedanken über den Kaffee gemacht hat, den wir hier trinken, hat man sich auch weitere Gedanken gemacht, die mit “wie wollen wir zusammenleben” umschrieben werden können. Mehr als jeder Kickertisch der Welt zeigt die Kaffeemaschine in welchem “Zuhause” wir arbeiten.

Kaffeemachine bei Wahnsinn

Die Kaffeemaschine bei Wahnsinn ist der Knaller. Nach Vertragsunterzeichnungen haben wir trotzdem zusammen erstmal einen löslichen Nescafé getrunken. Wahnsinn.

Ich habe schon mehrfach merkwürdige Gespräche über meine Kleidung gehabt. Ich habe da einfach gar keine Lust mehr drauf. Ich trage gerne Jogginghose, einfach weil s mir von allen Hosen am wenigsten auf den Sack geht. Und da ich sowieso ständig mit Reizüberflutung zu tun habe, ist eine mir-nicht-auf-den-Sack-gehende Hose Gold wert. In meinem Arbeitsvertrag steht also original, dass ich Jogginghose zu tragen habe. Was mir juristisch den Anspruch auf Arbeitskleidung bringt. ;-)

Anderes Beispiel: welchen Jobtitel ich haben möchte, wurde ich gefragt. Ich wollte “Direktor für Digital und Innovation” sein – der bin ich jetzt. Laut Arbeitsvertrag. Ich finde diese Jobbeschreibung super, seit dem ich zum ersten mal von ihr gehört habe. Sie heißt nämlich gar nichts, ist aber definitiv cooler zu sagen “Ich bin Direktor für Digital und Innovation bei einer Kölner Designer Agentur” als zu sagen “Ich bin Programmierer und Designer in Bottrop, außerdem kenne ich mich ganz gut in der digitalen Transformation aus”.

Jedenfalls bin ich alles im allem sehr glücklich, dass ich da arbeiten kann, wo ich gerade bin. Es kam schon vor, dass es klingelte und der Paketmann mir ein Kilo Kaffee ins Home-Office vorbei brachte. Absender: Wahnsinn GmbH.

Es ist halt so, dass ich einen an der Pfanne habe und so wie jeder auf der Welt einen an der Pfanne hat, haben bei Wahnsinn alle einen an der Pfanne. Mit dem Unterschied, genau zu wissen, dass wir einen an der Pfanne haben, weil “normal” halt einfach nicht passt. Ich bin zum Beispiel ziemlich großer Fan von SCRUM, ich liebe es, weil ich verstande habe, dass es Probleme löst, die mit SCRUM halt gar nicht mehr auftauchen. Alle werden mitgenommen, alle müssen sich zeigen, keiner kann sich verstecken, aber trotzdem können alle noch im eigenen Tempo, im eigenen Tanzbereich arbeiten. Ich glaube wirklich, für die meisten Leute ist SCRUM einfach eine sehr gute Lösung, um sortiert zu sein. Für mein Leben ist SCRUM leider die Hölle. Die meisten Dailys finden um 10 Uhr statt, um 10 Uhr bin ich auf dem Peak meiner Konzentrationsfähigkeit, da gestört zu werden, ist für für mich und insbesondere für das Projekt wirklich rausgeschmissene Lebensmühe. Im Kreis zu stehen und „Guten Morgen“ zu sagen, damit man identifizieren kann, welche zwei Personen sich unter 4 Augen nochmal weiter unterhalten müssen. Ich komm mit weniger aber selbst ausgesuchter Struktur besser klar.

Noch immer ist nicht alles gut für mich, ich habe Tage die laufen weniger gut und Tage die laufen richtig gut. Manchmal frag ich mich, woran das eigentlich liegt, das ein Tag besser oder schlechter läuft und eine richtige Antwort habe ich dafür nicht. Wie dem auch sei: Ich bin wieder im Leben angekommen und das jetzt schon seit einem halben Jahr und wahnsinnig glücklich mit meiner Entscheidung.

Wenn du jetzt zufällig auch eine nette Umgebung zum wirken suchst. Design und Programmierung irgendwie deine Leidenschaft ist, dann hab ich eine gute Nachricht für dich. Wir haben bei Wahnsinn noch Platz für einen Design affinen Frontend-Programmierer. Im Moment wäre React-Erfahrung am schönsten.

Oder direkt persönlich unter: pepo@wahnsinn.design